Gedenkveranstaltung für die Opfer des Nationalsozialismus
Der Deutsche Bundestag hat am Donnerstag, 27. Januar 2022 in einer Gedenkveranstaltung den Opfern des Nationalsozialismus gedacht. Zu diesem Anlass hielt unter anderem die Holocaust-Überlebende Dr. h.c. Inge Auerbacher eine Rede.
Die 87-jährige berichtete in ihrer Rede über ihre Wurzeln. Sie ist im baden-württembergischen Kippenheim geboren und wuchs in Göppingen-Jebenhausen auf.
Sie musste dort als sechsjährige den Judenstern auf dem Weg zur Schule tragen. 1942 wurde sie als siebenjährige mit ihrer Familie deportiert. In der Turnhalle der Schillerschule in Göppingen wurden die Jüdinnen und Juden gesammelt. Dort nahm ein Aufseher ihr eine Holzbrosche mit den Worten „Du brauchst nichts, da wo du hingehst“ ab. Von dort ging es in ein Sammellager nach Stuttgart und weiter in das KZ Theresienstadt.
Im Lager teilte sie mit ihren Eltern und einem Ehepaar Abraham aus Berlin eine Schlafpritsche. Die Tochter, Ruth Abraham, wurde ihre Freundin. Sie wurde nach Ausschwitz deportiert und ermordet. Als Frau Auerbacher dies während ihrer Rede erzählte, rief sie laut: „Liebe Ruth, ich bin hier in Berlin um dich zu besuchen!“.
Das Lager wurde am 8. Mai 1945 durch die die Sowjet-Armee befreit. Nach einer kurzen Rückkehr nach Göppingen, emigrierte die Familie von Inge Auerbacher 1946 nach Amerika. Sie war elf Jahre alt und das einzige Kind, dass die Deportationen aus Stuttgart überlebte.
Frau Auerbacher litt durch die Unterernährung und die schlechten hygienischen Bedingungen des KZs unter einer schweren Tuberkulose, welche sie zunächst daran hinderte ihre Ausbildung weiterzuverfolgen. Nach Jahren der Krankheit absolvierte sie die Schule und ein Chemiestudium in New York und arbeitete danach 38 Jahre als Chemikerin in der medizinischen Forschung. Sie heirate nie. „Ich durfte nie ein Brautkleid tragen und ich werde nie Mama oder Oma werden – aber ich bin glücklich und die Kinder der Welt sind meine!“, sagte die Zeitzeugin mit fester Stimme.
Frau Auerbacher schloss ihre Rede mit ihrem Herzenswunsch: „Wir sind alle als Brüder und Schwestern geboren. Mein innigster Wunsch ist die Versöhnung aller Menschen“. Sie rief dazu auf, eine Kerze für die unschuldig ermordeten Kinder, Frauen und Männer zu entzünden, eine Kerze für das Leben, die die Dunkelheit zurückhalten solle. „Sei Hüter deiner Brüder und Schwestern, dann wird dein Glück immer blühen“, mahnte sie. Auerbacher appellierte eindringlich, dass die Vergangenheit nie vergessen werden dürfe. „Zusammen wollen wir beten für Einigkeit auf Erden. Lasst uns gemeinsam einen neuen Morgen sehen, dieser Tag soll nie nie nie wieder verloren gehen“, schloss sie ihre beeindruckende Rede.
Die Rede von Inge Auerbacher habe ihn sehr berührt, sagt Färber. „Ihr Zeugnis mahnt uns, dass Demokratie und Freiheit nicht selbstverständlich sind, sondern jeden Tag auf‘s neue gestärkt, gelebt und bewahrt werden müssen. Denn auch heute noch ist Antisemitismus und Fremdenhass alltäglich“, so der Bundestagsabgeordnete.
Bereits am Mittwoch hatte der Abgeordnete Gelegenheit, sich längere Zeit mit Frau Dr. Auerbacher zu unterhalten. „Sie ist eine unglaublich lebensfrohe und starke Persönlichkeit – vor ihrer Lebensleistung habe ich allergrößten Respekt“, so Färber. Trotz der Deportation aus ihrer Heimat, den zutiefst erschütternden Erlebnissen im KZ Theresienstadt und einer schweren daraus resultierenden Krankheit habe sich die Überlebende weltweit und auch in Göppingen vehement gegen das Vergessen eingesetzt. Sie hielt zahlreiche Vorträge und suchte das Gespräch mit Schülerinnen und Schülern. „Sie ist damit ein leuchtendes Vorbild für uns alle“, bekräftigt Färber. Das Leben Auerbachers und ihr Schicksal mache deutlich, dass sich jeder und jede Einzelne gegen den Hass in allen seinen Formen wenden müsse, wo immer man ihm begegne, so der Abgeordnete.
Im Dezember letzten Jahres wurde Inge Auerbacher zur Ehrenbürgerin in Göppingen ernannt. Der Bundestagsabgeordnete freut sich daher, Frau Auerbacher zu diesem Anlass bei einem Festakt nächste Woche in der Stadt Göppingen begrüßen zu dürfen.
Kampagne „We Remember“
Gleichzeitig beteiligte sich der Deutsche Bundestag an der internationalen Kampagne „We Remember“, einer Initiative des World Jewish Congress. „Auch ich habe gerne teilgenommen um zu zeigen, dass ich gegen jede Form des Antisemitismus, jede Form von Hass und Fremdenfeindlichkeit und für die Würde jedes Menschen einstehen möchte“, erklärte der Bundestagsabgeordnete.
Seit 2017 ruft der Jüdische Weltkongress gemeinsam mit der UNESCO am 27. Januar, dem Tag des Gedenkens an die Opfer des Nationalsozialismus, zu der weltweiten Gedenkkampagne auf. Dabei sind Menschen auf der ganzen Welt aufgerufen, sich mit einem Plakat mit der Aufschrift „We Remember“ zu fotografieren und diese Fotos auf sozialen Plattformen unter dem Hashtag #WeRemember zu veröffentlichen.